ALBUM | Dame „Zeus“ | ab 06.09. im Handel

Wenn die Dame ins Spiel kommt, ist meist Gefahr in Verzug. Sie ist angriffig, schwer durchschaubar und immer für eine Überraschung gut. Die Dame ist die wahre Königin im Spiel der Könige. Sich als Künstler nach ihr zu benennen, ist so gesehen ein kluger Schachzug. Die Strategie eines Siegers.

Oder vielleicht ist ja Dame bloß ein cooler Name. Auf jeden Fall cooler als der von Michael Zöttl, jenem sprachbegabten Koch, der schon in der Schulzeit in seiner Freizeit gerne Gedichte geschrieben hat. Der in den Hiphop hinein gestolpert ist wie ein humpelnder Beat. Der keinen Zug im vorausgeplant hat, weil er in seiner Karriere nie etwas geplant hat. Schon gar keine drei Nummer-Eins-Alben in Folge.

Der Erfolg ist ihm passiert, weil er gut ist.
Und extrem fleißig.

Sechs Alben in sechs Jahren und daneben noch drei Mixtapes und eine Soul-EP. Sein kreativer Output ist gewaltig. Vielleicht sollte man ihm ja nächstes Jahr schon, zu seinem 30. Geburtstag, sicherheitshalber den Amadeus Austrian Music Award, den wichtigsten österreichischen Musikpreis, für sein Lebenswerk überreichen, bevor man komplett den Überblick verliert. Der Amadeus für das Album des Jahres wäre natürlich auch eine Option. Das neue Album „Zeus“, das am 6. September erscheint, ist das (bisherige) Opus Magnum von Dame. Ein Schachmatt für all jene Kritiker, die ihn bislang milde belächelt haben, weil er nicht ihren vorgefertigten Meinungen entspricht, die in der Musiktheorie genau definieren, was Deutschrap können und dürfen soll.

Im Prinzip geht es da Dame nicht viel anders als der Mozartkugel. Bei dem weltberühmten Touristen-Leckerli sind die Zutaten auch ganz genau definiert. Darum ist es ihm in der renommierten Konditorei Fürst als Konditorlehrling auch ziemlich schnell fad geworden. Als Koch im Salzburger Altstadthotel war er schon mehr gefordert, aber seine wahre Berufung war es trotz der zweiten erfolgreich abgeschlossene Lehre auch nicht. Heute bekocht Dame nur noch Freunde. Für seinen Schweinsbraten ist er berühmt. Und das, obwohl er sich selbst fast ausschließlich vegetarisch ernährt.

Hier offenbart sich ein schönes kulinarisches Sinnbild für seine Kunst. Erlaubt ist, was schmeckt, beziehungsweise was gefällt. Dame entspricht nicht den gängigen Rap-Klischees. Gangstas und Bitches sucht man in seinen Texten vergeblich. Auf Goldketten, schnelle Autos und bewusstseinserweiternde Substanzen macht er sich keinen Reim. Auf ehrliche Gefühle, auf zwischenmenschliche Beziehungen und auf den Sinn des Lebens dafür umso mehr. Dame vertont Poesie. Und trifft damit nicht nur bei seinen jungen Fans den Nerv der heutigen Zeit, in der Werte wie Familie, Freundschaft, Geborgenheit und Zusammenhalt wieder großgeschrieben werden.

Der Applaus bei Konzerten ist als unmittelbares Feedback des Publikums die wohl schönste Anerkennung eines jeden Künstlers. Wer Dame schon einmal live auf der Bühne erlebt hat, egal ob in einem kleinen Club oder auf der Mainstage beim Frequency-Festival, weiß, was für euphorische Reaktionen der Mann bei seinen Fans auslösen kann. Es gibt aber auch diese stillen Momente nach der Show, wenn die Scheinwerfer längst erloschen sind, hinten beim Bühneneingang, wo es Menschen aller Altersklassen oft ein Bedürfnis ist, dem Künstler persönlich für seine Musik zu danken.

Weil sie sich bei einem Konzert von ihm kennen und lieben gelernt haben. Weil ihnen seine Musik durch schwierige Zeiten geholfen hat. Weil er ihnen Kraft gibt, den Alltag zu bewältigen. Weil er sie mit seinen Texten inspiriert, zum Nachdenken anregt oder einfach nur positiv und fröhlich stimmt. Das ist für Dame der schönste Lohn für seine harte Arbeit.

Den typischen Dame-Fan gibt es übrigens nicht. Der Altersschnitt liegt irgendwo zwischen 13 und 50 Jahren, quer durch alle sozialen Schichten ist vom Punkrocker bis zum Familienvater jede nur denkbare Lebensform vertreten. Sie alle eint die Liebe zu gutem Deutschrap mit Niveau. Und der Hang zu großen Melodien. Dafür wurde Dame zu Beginn seiner Karriere von Hip-Hop-Puristen heftig kritisiert, – wie kann er es bloß wagen, zwischen den Beats eingängige Refrains zu singen? Nun, gut. Da war wohl jemand seiner Zeit voraus. Heute dominiert melodiöser Rap ganz klar die Charts.

Gedichte waren immer schon seine große Leidenschaft. Auf die Idee, dass er seine Texte auch vertonen könnte, hat den sprachbegabten Teenager ein älterer Wohnungsnachbar gebracht, der ihn aufgrund seiner Vorliebe für Acts wie Beginner, Azad oder Creutzfeld & Jakob mit deutschsprachigem Hiphop infiziert hat. Also hat sich Dame einfach hingesetzt, zuhause im Hobbykeller, um im zarten Alter von 15 Jahren am Laptop mit Headset zu (aus dem Internet geklauten) Beats seine ersten Tracks aufzunehmen.

„Aus und Bastard“ hieß sein erstes Mixtape, das ihn 2009 gleich einmal in finanzielle Schwierigkeiten katapultiert hat. Weil Dame, – noch nicht ganz der gewiefte Geschäftsmann, der er heute ist -, es vor lauter Freude und voller Stolz all seinen Freunden und auch vielen Bekannten am Fußballplatz einfach so geschenkt hat. Die rund 280 Euro, die er damals als Konditorlehrling verdient hat, haben ihm da auch nicht wirklich aus der Klemme geholfen. Also hat Dame zur Gitarre gegriffen, um auf den Kopfsteinpflastern Salzburgs seine Verluste wieder halbwegs herein zu spielen. Das Nummer-1-Album „Straßenmusikant“ (2016) ist eine Referenz an diese turbulente Zeit.

Die Gitarre ist sein Instrument. Mit ihr hat er auch die Aufnahmeprüfung im Mozarteum geschafft, dann allerdings keinen Studienplatz ergattert, weil zu wenige Plätze für zu viele Bewerber. Den Ur-Ur-Ur-Urenkel von Franz Gruber, dem Komponisten des weihnachtlichen Welthits „Stille Nacht, Heilige Nacht“, hat dies aber keinesfalls aus der himmlischen Ruhe gebracht, sondern im Gegenteil geradezu ermutigt, sein eigenes Ding im Untergrund durchzuziehen.

Was den Künstler und Menschen Dame/Michael Zöttl auszeichnet, ist seine bedingungslose Treue zu Weggefährten der ersten Stunde. Harald Mörth vom Late Hour Studio ist einer von ihnen. Bei ihm hat der blutjunge Rapper 2012 sein erstes Album „Herz gegen Fame“ aufgenommen, weil der arrivierte Salzburger Produzent sofort an Dame geglaubt hat und ihm daher finanziell entgegen gekommen ist. Eine gute Investition, denn heute noch nimmt Dame all seine Songs ausschließlich bei ihm auf.

Die Texte auf seinem Debütalbum sind gleichermaßen melancholisch wie derb. Es vereint Songs, die Dame im Alter von 16 bis 18 Jahren geschrieben hat, und dokumentiert einen Künstler bei seiner Selbstfindung. Songs wie „Mein Haus“ oder „Angst Dich zu verlieren“ weisen aber schon den Weg, den Dame künstlerisch einschlagen und spätestens auf seinem zweiten Album „Notiz an mich“ konsequent verfolgen wird – seinen eigenen Weg.

Eine rasante Entwicklung, die erstaunt. Dame legt schon als junger Musiker eine Reife an den Tag, die ihn gegen angesagte Trends immun macht. Während er auf seinem Mixtape noch im Dialekt gerappt hat, drückt er sich jetzt bevorzugt auf Hochdeutsch aus. Und das, obwohl er als Mitglied der Hip-Hop-Crew Slangsta an der Seite von so Größen wie Jack Untawega (heute Kroko Jack), Markee oder Bum Bum Kunst hautnah miterleben durfte, wie man mit Mundart-Hip-Hop 500er-Hallen füllt.

Dame aber steigt aus. Auch die Open-Mic-Nights und Rap-Battles, die damals in der Salzburger Underground-Szene schwer angesagt waren, langweilen ihn zunehmend. Der billigste Gag erntet dort mittlerweile die größten Lacher, zum dreckigsten Reim wird am lautesten gejohlt. Dame will zeigen, dass es auch anders geht: Man kann harten, roughen Hip Hop nämlich durchaus auch ohne die inflationäre Verwendung von Schimpfwörtern und Kraftausdrücken gut hinkriegen. Dame wird zu seinem eigenen Geschoß. Und schlägt mit seiner gerappten Poesie voll in den Herzen seiner Fans ein.

Jedes Album ist für ihn ein gerapptes Tagebuch. Eine Momentaufnahme eines Lebensabschnittes. Dame geht mit offenen Augen durch die Welt, sammelt Eindrücke, die zu Ideen führen, die er in Worte kleidet, die dann zusammen im Idealfall eine gute Geschichte erzählen. So wie in „Low Life“ oder „So wie Du bist“, zwei seiner größten Hits, die Dame auch zunehmend einer breiteren Masse bekannt gemacht und im Mainstream etabliert haben.

Wobei Erfolg für ihn ohnehin relativ ist. Dass seine letzten drei Alben („Lebendig begraben“ 2015, „Straßenmusikant“ 2016, „Zukunftsmusik“ 2017) alle von Null auf Platz 1 der Ö3 Austria Top 40 eingestiegen sind, hat DAME neben seinem unermüdlichen Eifer wohl auch ein kleines bisschen dem Glück des Tüchtigen zu verdanken. Denn sobald Helene Fischer beschließt, zeitgleich ein Album zu veröffentlichen, ist es schier unmöglich ähnliche Zahlen und somit die Chartspitze zu erreichen. In Deutschland sowieso. Dennoch ist es Dame gelungen, die letzten drei Alben allesamt in den Top Ten der deutschen Charts zu platzieren. Also ebendort, wo seine Heroen Beginner vor Jahren auch Stammgäste waren.

Die Gefahr, dass Dame aufgrund seines anhaltenden Erfolges irgendwann komplett abhebt, besteht aber sowieso nicht. Dafür ist er viel zu sehr in seiner Heimatstadt Salzburg geerdet. Seine Freundin hat ihn schon geliebt, bevor er Musik gemacht hat. Und den Freunden, die mit ihm gemeinsam dieses Abenteuer gestartet haben, hält er – wie gesagt – ohnehin die Treue, vor allem Stefan Kudlicki (aka Appletree), der Dame als Booker zu seiner ersten Tour verholfen hat und damit hauptverantwortlich dafür gewesen ist, dass der Koch Michael Zöttl endgültig seinen Löffel abgegeben hat.

Dass er von seiner Musik leben kann, ist ein großes Privileg. Man lebt gut, wenn man sich das, was man zum Leben braucht, leisten kann, lautet seine Devise, die von einer angeborenen Bescheidenheit zeugt. Statt so wie RAF Camora (den er kennt, bewundert und schätzt) im neuen Ferrari 488 herum zu cruisen, gurkt er lieber nach  wie vor mit seinem Citroen durch die Gegend. Am liebsten zum Grabensee, zum Mattsee, zum Obertrumersee oder zum Fuschlsee, seinen bevorzugten Kraftplätzen in der schönen Salzburger Natur.

Dame trinkt aber auch gerne mit Freunden ein Bier im Gastgarten. Und er mag Kartenspiele, Bowling und er liebt das Badmington Spiel. Dem exzessiven Gaming hat er mittlerweile eher abgeschworen, obwohl er noch oft mit seinen Kumpels die ein oder andere Runde Fortnite oder Call of Duty zockt, reicht seine Zeit neben der Karriere nicht mehr aus, um sich nebenbei tagelang durch die World of Warcraft zu kämpfen. Der Gaming-Community fühlt er sich aber für ewig zu Dank verpflichtet. Sie haben einigen Songs von Dame zu absurd hohen Klickzahlen auf Youtube verholfen, ihn zu einer eigenen Spieleedition  inspiriert („Jetzt wird gezockt“ 2013) und ihn auf das nächste Level befördert.

Und jetzt geht es wieder eine Ebene höher. Dame veröffentlicht am 6. September sein siebtes Album „Zeus“, jenes Album, mit dem er sich bislang am intensivsten auseinander gesetzt hat. Produzent Johannes Herbst hat den Songs eine neue Dynamik verpasst und Dame präsentiert sich lyrisch auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Er ist jetzt noch mehr Musiker, ohne dabei den Hip-Hop-Flow zu verlieren, mit noch mehr Melodie, ohne an Härte einzubüßen. Ein Album, das nach großem, modernen Pop anmutet. Kurzum: Die Dame ist wieder am Zug.

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Quelle: Sony Music